Wenn wir mal von der klassischen Definition von Leistung in Form von Schulnoten für fleißiges Auswendiglernen und Produktivsein weggehen, so leistet doch jeder Mensch auf seine Weise tagtäglich Großes.
Umso weniger verwunderlich ist es, dass wir für unsere Leistung belohnt werden wollen. Ob es nun Geld oder Anerkennung ist, die wir für unsere guten Taten verdienen – letztendlich werden wir doch alle irgendwann auf unserem Weg mindestens einmal durch unsere Erwartungen enttäuscht und müssen lernen, dass die Welt da draußen etwas anders funktioniert als noch zu Schulzeiten oder wie es die Predigt unserer Eltern gebot.
Wenn man nun das Prinzip kennengelernt hat, dass Leistung nicht gleich Belohnung ist, so wird man für sich auf ganz natürliche Weise Methoden finden, um die verdiente Belohnung auf andere Art und Weise zu erhalten.
Genauso verhält es sich mit sonstigen Spielregeln. Wenn es beispielsweise in einer Branche üblich ist, Dieselmotoren zu manipulieren, um durch bessere Abgaswerte mehr Autos verkaufen zu können, und das vielleicht durch strenge Gesetze, Druck vom Aufsichtsrat oder durch die Konkurrenz bedingt zur Notwendigkeit wird, so wird das Brechen von Spielregeln schnell zur gelebten Praxis.
Das Gefangenendilemma gewinnt – insbesondere dann wenn wir handeln, um zu überleben, oder auf Lehrer vertrauen, die uns mit weiser Erfahrung die „praktischen Spielregeln“ erklären. Doch aus einem Überlebenskampf oder einer Lehrmeinung, die wir noch gut mit unserem Gewissen vereinbaren können, entwickelt sich zumeist eine Gewohnheit, die sich tief in unserer Seele verankert.
Mir persönlich war es zu manchen Zeiten auch schlichtweg egal, ob mein Handeln nun im Großen und Ganzen oder vor der erhabenen Meinung hinter einer Glasscheibe als richtig oder falsch zu bewerten ist. Ich wollte lernen, in meiner kleinen Position (die meinen Wirkungskreis definierte) herausragende Leistung bringen, und mich in einer Welt etablieren, die ich für erstrebenswert hielt – und deren Spielregeln ich vermutlich gerade deswegen mochte, weil sie nicht aus einem „verklemmten“ Regelwerk von einfachen Moralaposteln stammten.
Das Dilemma ist letztendlich aber, dass nicht das Überleben oder der verdiente Lohn uns in den Abgrund stürzt, sondern einzig und allein unsere persönlichen Ambitionen für unerreichbare Ziele und die Bereitschaft immer noch ein klein wenig mehr Kompromisse einzugehen.
Die Konsequenzen eines solchen Mechanismus können eine ganze Welt erschüttern. Für mich endete es irgendwann, als es karrieretechnisch nichtmehr so lief wie ich es mir vorstellte (und wie ich es als das fleißiges Bienchen, das ich war, verdient hätte), in einer enormen Identitätskrise. Plötzlich erkannte ich, wie sehr mich meine kleinen Schritte doch mit der Zeit verändert hatten und auf einen Schlag fiel alles, wodurch ich mich so viele Jahre definiert hatte, wie ein Kartenhaus zusammen.
Ich wusste nichtmehr wer ich war. Weil das was ich geworden war, war nicht ich. Ich konnte zwar immer noch stolz auf meine eigene Leistung sein, doch aus moralischer Sicht war ich gescheitert – und Schuld daran waren meine Naivität, meine Verführer, und noch mehr die Verführer meiner Verführer.
Als Kind wollte ich immer gerecht sein. Ich wollte zwar über den Rand des biederen Lebens meiner anerzogenen Normalität hinausblicken und mir meinen Erfolg erkämpfen, doch als ich die Gesamtheit aller Kompromisse betrachtete, die ich in der Zwischenzeit eingegangen war, und erkannte, wie stumpf die Welt in der ich mich wiederfand und vor allem wie stumpf ich selbst doch geworden war, brach ich unter meinen Schuldgefühlen zusammen.
