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Religion

Dass sich jemand, der sich als der Teufel bezeichnet, auch mit Religion befasst hat, sollte nicht überraschen.

Ich für meinen Teil bin – wie so viele in Deutschland – Christlich aufgewachsen. Evangelisch, um genau zu sein. Darüber, dass ich mit dem Ministranten-Unterricht und den Kindervergewaltigern der katholischen Kirche nichts am Hut hatte, bin ich recht froh.

Ich hatte klassisch in der Schule Religionsunterricht, wurde „um mich selbst entscheiden zu können“ erst mit 13 getauft, und hatte dann eine echt gute Zeit im Konfirmationsunterricht bei dem ich auch meine erste Liebe kennenlernte (obwohl wir erst danach so wirklich Kontakt aufbauten). Außerdem besuchte ich in der Zeit nach dem Abi mehrmals meine Freundin bei ihrem Freiwilligen Sozialen Jahr („FSJ“), das sie bei einer evangelischen Kirche in Madrid machte, und baute so einen gewissen durchaus positiven Draht zur Kirche auf.

Und fast überall, wo ich wohnte, war eine Kirche in der Nähe, sodass ich aus der Ferne die Kirchenglocken hören konnte – in Frankfurt wohnte ich sogar direkt neben einer Kirche und hörte an Wochenenden im Sommer häufig Familien mit Kindern bei ihrem fröhlichen Zusammenkommen.

Doch trotz positiver Erlebnisse, konnte ich mich nie vollständig mit dem Glauben an einen so ambivalenten und schwer greifbaren Gott anfreunden – und häufig waren es vor allem die Predigten des Neues Testamentes von Jesus, die den Glauben der Christen auf meinem Weg definierten. „Ich liebe Jesus und Jesus liebt mich“ heisst es, während das eigene Verhältnis zu Gott in der Regel weniger einfach zu erklären ist.

Die Schöpfungsgeschichte aus dem ersten Testament war zwar noch ganz nett, doch bei den ganzen Regeln verwies man darauf, dass es eben das alte Testament war. Hat also Gott seine Meinung geändert und weshalb werden dann die 10 Gebote immer noch ohne Sinn als von Gott gegeben gelehrt? Verlangt Gott wirklich, dass man seine eigene Authentizität für ihn aufgibt, und statt die Dinge selbst zu hinterfragen blind auf seine Meinung vertraut – nur weil er Gott der Allwissende ist? Und warum ändert die Kirche ihre Regeln, wenn sie Mitglieder verliert oder warum ist es weiterhin so verbreitet, dass Christen die Homosexualität derart verteufeln?

Mir blieb also nichts als mein ganz eigener Glaube an eine größere Bedeutung des Lebens (und der Liebe) sowie der Neid auf Gottes Lieblingssohn, der im Gegensatz zu allen anderen einfach so herumlaufen und Wunder vollbringen durfte und von dem tausende Jahre später immer noch geredet wird, obwohl er faktisch nichts bewirkt hat. Ein bisschen Hoffnung, ok – die aber sehr schnell verfliegt, wenn man sich nur mal 5 Minuten in der Welt umblickt.

Selbstverständlich bin ich dann mit dem ersten Lohnzettel aus der Kirche ausgetreten. Den Ablassbrief für eine Organisation, der ich mich selbst nie wirklich zugehörig fühlen konnte, spare ich mir lieber.

Doch die Glaubensfrage löst sich nicht auf, nur weil man seinen Glauben nicht in der erstbesten Ideologie finden konnte. Allerdings rückte vorerst das „echte“ Leben und der Alltag immer mehr in den Mittelpunkt meines Daseins und es stellten sich vielmehr Fragen nach allgemein gültiger Ethik und Moral als die Frage nach dem Sinn des Lebens – wer hat denn auch Zeit dafür, wenn man morgen mal wieder eine Prüfung oder Deadline hat?

Doch mit meiner Krise wurde die Frage wieder präsenter. Ich kaufte mir eine Luther Bibel (ein sehr schönes in Stoff gebundenes und bunt illustriertes Buch übrigens) – las ein paar Kapitel, doch so richtig viel mehr als das was ich eh schon immer wusste, fand ich nicht. Ich kaufte auch einen Koran, blätterte über ein paar Seiten und stellte ihn ins Regal – irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ein Buch, welches sich selbst so sehr in Gold schmückt, kaum zu meinem Glauben passen konnte. Die Tora sparte ich mir, da ich ja das alte Testament hatte und viel mehr Weisheit dann sicherlich auch nicht darin zu finden ist.

Ich war nie ein Fan davon, eine Sache einseitig zu betrachten – deshalb entschied ich mich dazu, mir mal die Gegenseite anzuhören. Die Satanische Kirche basiert auf der Satanischen Bibel von Anton Szandor LaVey. Ebenfalls ein sehr schönes in schwarzes Ziegenleder gebundenes und überraschend leichtes Buch. In weißer Schrift auf schwarzen Seiten erklärt darin LaVey die Grundprinzipien für die Lebensweise eines guten Satanisten. Ich habe es nicht bis zum Ende gelesen, doch besonders das Kapitel zur Sexualität hat mir gut gefallen. Doch letztendlich erkennt man, dass der Satanismus nach LaVey nichts anderes ist als ein provokanter Atheismus, welcher auf der simplen „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem zu.“ Doktrin beruht und nicht mehr als eine gute Anleitung für das Überleben in unserer modernen Gesellschaft darstellt. Ein wenig hat mir das Buch jedoch dabei helfen können, mich von falschen moralischen Bürden zu lösen.

Eine Sache blieb jedoch ungeklärt. Wieso geschieht auf der Welt so viel „Böses“? Warum gibt es Menschen, die ernsthaft Satan anbeten, Kinder opfern und sonstige Verbrechen an der Menschheit begehen?

Wer suchet der findet – und so stieß ich irgendwann auf einen Artikel zum Orden der Neun Winkel („Order of Nine Angles“) und andere Quellen, die mehr Aufschluss zu dem Thema gaben. Ich wusste bereits, wie die meisten Menschen ihre Seele verloren – schleichend langsam durch unbewusste kleine Kompromisse im Alltag, so wie ich es selbst erlebt habe. Doch es gibt da draußen auch Menschen, die ihre Schuld nicht nur übersehen, sondern aktiv so viel Schuld auf sich laden, bis sie davon abstumpfen – es geht eine gewisse Macht von Menschen aus, die gelernt haben, skrupellos zu sein. So will der gläubige Satanist nicht nur überleben – er will Gott erzürnen. Er will ihn herausfordern, sein Gesicht zu zeigen und sein Handeln zu unterbinden. Denn wenn Gott dies nicht tut, so ist Gott tot oder hat nie existiert und der gläubige Sünder erhebt sich selbst zum Herr über Recht und Unrecht.

Frei nach dem Motto „Töte einen Menschen und du wirst dich schuldig fühlen. Töte einen Zweiten und es wird leichter.“

Doch diese Loslösung von Schuld durch die Erhebung über den Anfang und das Ende des Seins ist ein Trugschluss. Denn Schuld verschwindet nicht im Prozess der Abstumpfung. Vielmehr nährt sie das Ego, welches so fragil wird, dass es sich um jeden Preis selbst davor schützen will, die eigene Schuld anzuerkennen. Die bewusste und aktive Selbstverstümmelung der Seele führt dabei nur zu einem – der Intensivierung des Zusammenbruchs, den ein Mensch erleben muss, um diese Schuld zu bewältigen.

Auf nicht-monotheistische (östliche) Glaubensrichtungen gehe ich hier weniger ein, da diese in meinen Augen mehr symbolisch und spirituell verstanden werden wollen – was eine Erfahrung ist, die ich an anderer Stelle für mich entdecken konnte.

Einen Zusatz habe ich jedoch als Teufel noch zu machen. Auch eine Ideologie ist häufig (wie Religion) eine Form eines Glaubenssystems, das Identität schafft – und weil es eben ein komplexes Thema ist, schafft insbesondere Sexualität (oder nennen wir es eine sexuelle Orientierung abseits der gegenwärtigen „Norm“) einen Konflikt, der sich nicht selten durch eine Überidentifikation oder übertriebene Ablehnung ausdrückt. Macht mit euren Ego-Problemen gerne was ihr wollt, aber lasst doch bitte Kinder außen vor.

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