Irgendwann

Reset

Wenn es nichtmehr weiter geht, hilft nur Umdenken und einen anderen Weg Ausprobieren.

Als ich angefangen habe Songtexte zu schreiben, war ich selbst so begeistert und überrascht von dem was da aus mir rausströmte, dass ich dachte, ich müsste die Texte 1:1 so verwenden, wie sie im ersten Moment entstanden sind und dass darin eine tiefere Bedeutung liegen würde. Schließlich schien mir jedes festgehaltene Wort wie ein Schwur, der einen bindet. Währenddessen fühlte sich das spätere Ablegen dieser tiefen Gedanken und Empfindungen wie eine Selbstlüge an.

Doch mit der Zeit habe ich erkannt, dass man die Geschichte auch umschreiben und überarbeiten kann, wenn sie einen in die falsche Richtung führt. Und dass die Vergangenheit in einen neuen Kontext zu stellen nicht gleichbedeutend damit ist, sich selbst zu verleugnen.

Als ich angefangen habe Musik zu machen, nahm ich erstmal Gesangstunden, weil mir jedes Gefühl für meine Stimme fehlte und ich selbst kein Vertrauen hatte, dass meine Stimme überhaupt das Potential hatte, um damit als Künstler aufzutreten. Trotz meiner fehlender Erfahrung entwickelten Ben („BarefeetnHats“) und ich gemeinsam sehr schnell eine große Begeisterung für unsere jungfräulichen Werke und Veröffentlichungen.

Das was folgte war ein Auf und Ab aus gefühlten Erfolgen und emotional schmerzhaften Misserfolgen. Während Ben, sein Bruder Tom, und ich zu der Zeit viel Spaß hatten, bekam ich aus anderer Richtung überwiegend Skepsis und Kritik entgegengebracht.

Zeitgleich entwickelte sich der Höhepunkt meiner persönlichen Identitätskrise durch das Scheitern auf meinem beruflichen Karriereweg, den Herzschmerz einer unerfüllten Liebe, und den unkontrollierten Ausbruch meiner unterdrückten Kindheitstraumata bis zur völligen Loslösung von Körper und Geist durch exzessiven Cannabis-Konsum.

Als ich völlig am Boden entschied, mein Abenteuer in Frankfurt am Main zu beenden und wieder zurück in die Heimat zu ziehen, wusste ich nichtmehr wer ich war. Ich wollte und konnte nichtmehr zurück zu dem karriere- und leistungsgetrieben „Ich“, durch das ich mich mein Leben lang definiert hatte. Und ich konnte auch nicht zurück in das Leben eines Künstlers, welches mich in den Abgrund riss, meine Miete nicht zahlen würde, und das ich allzu schmerzlichst mit meinem gebrochenen Herzen verband.

Ich geriet in ein Streitgespräch mit Gott und ganz langsam ordnete sich wieder mein Leben. Während ich meine Erlebnisse aufarbeitete, fand ich Schritt für Schritt wieder zu einer eigenen Identität und fing langsam an, wieder Musik zu machen und Songtexte zu schreiben.

Es war nicht leicht mit dem Musik machen ein zweites Mal neu zu beginnen. Meine technischen Fähigkeiten lagen weit hinter denen von Ben und ich hatte Jahre an Erfahrung und Wissen über Musiktheorie aufzuholen.

So ging die Reise für mich mit einem Rückschritt weiter. Doch dieses Mal ohne Unterstützung – zwar interessierten sich Freunde und Familie für meine Musik, doch war es mehr die Sensationsgier als eine geteilte Begeisterung. Und während manche kommentarlos blieben, ließen es sich die Meisten nicht nehmen, Kritik zu äußern, welche in den meisten Fällen wohl ehrlich doch sehr subjektiv und wenig hilfreich war.

Zwar spornte mich die Kritik auch immer wieder an – doch war das Gefühl, das damit einherging auch sehr schmerzhaft. Ich nahm mir immer wieder vor, nun meine Werke mit niemandem mehr zu teilen, und ertappte mich dann selbst dabei, wie ich voller Begeisterung über meinen eigenen Fortschritt hoffte, nun beim nächsten Mal doch die Bestätigung zu erfahren, die wiederholt ausblieb.

Um nun fair zu bleiben, sollte ich erwähnen, dass sich meine Mutter durchaus positiv äußerte – doch mal abgesehen von unserem grundsätzlich schon eher schwierigen Verhältnis, konnte sie dem mir empfundenen Sentiment nur wenig entgegenwirken.

Ich hatte lange die Hoffnung, dass es da draußen mehr Menschen gibt, die ich für mein Projekt und meine Musik begeistern kann, indem ich sie an meinem Entwicklungsprozess teilhaben lasse – und statt einem fein geschliffenen Werk, das mundgerecht serviert wird, mein Bestes zu jedem Zeitpunkt der Welt offenbare.

So sehr ich es mir gewünscht habe und umso leichter mein Leben dadurch geworden wäre, umso mehr bin ich inzwischen damit im Reinen, dass es anders gekommen ist. Obwohl ich mich hin und wieder über meine Leiden beschwere, habe ich doch im Großen und Ganzen gelernt zu glauben, dass jeder die Prüfungen erhält, die für ihn bestimmt sind.

Deswegen war es vielleicht genau richtig, dass ich im April 2023 kurz vor dem Beginn meines fünften Lebensabschnitts nur sehr wenige Spotify-Hörer hatte und sich auch sonst kein Erfolg abzeichnete, der Hoffnung darauf versprach, meinen Bürojob für die Musik an den Nagel hängen zu können.

Zwar blieb Musik somit fürs Erste weiterhin nur eine Freizeitbeschäftigung – doch hatte ich dadurch die Chance, mein musikalisches Gesamtwerk nun noch einmal ohne Leistungs- oder Zeitdruck, ohne Kritik und Einfluss nach meinen ganz eigenen Wünschen, und in voller künstlerischer Freiheit neu in Angriff zu nehmen.

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