Joker

Schizophrenie

Ich weiß, wie es ist Stimmen zu hören. (Leit-)Sätze von anderen, die sich in meinem eigenen Kopf abspielen und so klingen, als hätte sie eine andere bekannte Stimme ausgesprochen. Mal ist es die Stimme eines Charakters meiner derzeitigen Lieblingsserie, mal die meiner Mutter oder eines anderen Menschen mit dem ich viel Zeit verbracht habe – und manchmal meine eigene.

In der Zeit in der ich mich auf dem Weg in meine Psychose befand, wollte ich dem Phänomen einmal auf den Grund gehen und fing an, mich gezielt auf diese anderen Stimmen zu konzentrieren, ließ den Biestern freien Lauf und gab ihnen Macht über mich.

Umso mehr ich mich darauf konzentrierte, was sich da möglicherweise in meinem Hinterkopf befand, umso klarer konnte ich diese Stimmen hören und umso mehr empfand ich sie als nicht zu mir gehörig. Es treibt einen in den Wahnsinn, nicht zu wissen, ob diese Stimmen nun dem eigenen Geist entspringen, oder ob da eine Verbindung existiert, durch die dunkle Mächte Zugang zu den eigenen Gedanken haben könnten.

Ich glaube es verhält sich mit den Stimmen die man tagsüber hört wie mit den stummen Geistern, die man im Traum trifft und die einen nicht loslassen wollen. Und wie man vielleicht lernen muss, dass aus der Angst vor der Dunkelheit die Angst werden kann, dass sich die Tür abends öffnet – so muss man lernen den Stimmen und Geistern die Köpfe abzuschlagen und sich über sie zu erheben, bevor man selbst bereit dazu ist, sie friedlich ins Licht zu führen.

So steht man da und findet niemanden, der einem die Welt besser erklären kann als mit der Antwort, dass man krank sei und im besten Fall nur Tabletten nehmen kann – obwohl es das Normalste der Welt ist, mal einen guten Rat und mal einen falschen Leitsatz von anderen in seinem Unterbewusstsein wiederzufinden.

Und wie Stress die Sehkraft beeinträchtigt oder ein unterdrückter Hilferuf irgendwann zu Tourette heranwächst, weil der eigene Verstand sich vor Scham und Wut selbst nichtmehr wieder erkennt, wird unser tiefer seelischer in der Unendlichkeit verankerter Schmerz häufig nicht verstanden – und die Welt hört auf, das Baby zu streicheln, bevor der Schmerz geheilt wurde.

Und wie das Universum eines Blinden oder Tauben selten verstanden wird, so weiß kaum einer, was es bedeutet, in der Haut des anderen zu stecken.

Wie soll man eine Farbe begreifen, wenn man nie eine gesehen hat? Lebt der Blinde doch im Schutz der schwarzen Finsternis und im hellen weißen Licht kurzer Momente von Hoffnung und Erlösung ohne den wahren Unterschied dazwischen je bemerkt zu haben, weil er all die Grautöne dazwischen nicht kennt. Und wie die Stufen zwischen der Dunkelheit und dem Licht nur in einer Ebene aus tiefen und hohen (hellen) Tönen existieren, so gibt es doch eine Explosion an Farbvarianten, die entsteht, wenn die Grautöne im Rhythmus unterschiedlicher Schwingungen miteinander zu tanzen beginnen. Und so unterschiedlich und vielfältig die Farbtöne dem Sehenden erscheinen mögen, so blind ist auch er oft für die Tatsache, dass jede noch so bunte Farbe in der Dunkelheit zu Schwarz und im Licht zu Weiß wird.

Und wie soll man verstehen, was ein Geräusch ist, wenn man noch nie dem süßen zarten Klang der Violine lauschen konnte, wenn der mit Pferdehaar bespannte Bogen sanft über die Saiten streicht und dabei eine Vibration erzeugt, die den ganzen Raum ausfüllt. So spürt der Gehörlose vielleicht den Rhythmus, wenn er die Boxen laut genug aufdreht, sodass selbst die Wände durch die Vibration der Luft in Schwingung geraten. Doch er kennt nicht die chaotische Vielfalt, die aus dem friedlichen Ton der Stille in seinem Kopf erwachsen kann. Wie ein langsamer tiefer Ton mit einem leichten Vibrato dieselbe Schwere erzeugen kann, die das feste langsame Wegstreichen des Schmerzes über den Rücken zulässt – oder wie im Gegenspiel die hohen Klänge dasselbe Gefühl von aufsteigender Leichtigkeit und ergreifender Hoffnung erzeugen können, wie das sanfte Streicheln über die Haare eines weinenden Kindes, das sich beim Spielen das Bein gestoßen hat.

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