Wahre Hingabe kommt dem Wahnsinn gleich.
Sich einer Sache wahrlich hinzugeben bedeutet für mich sich festzulegen. Es bedeutet, Entscheidungen zu treffen, die sich später nichtmehr einfach so ändern oder anpassen lassen – egal ob oberflächlich in die Haut gestochen oder tief in die eigene Seele eingebrannt.
Wenn man sich im Leben dem Ideal verschreibt, sein wahres „Ich“ zu erforschen, wird man zwangsläufig lernen müssen, innere Ängste zu überwinden. Denn es sind die inneren Konflikte, die uns daran hintern unser Leben selbst zu bestimmen.
Ich selbst habe mich mein Leben lang von äußeren Einflüssen lenken lassen – die Dinge geschehen lassen in der Hoffnung, dass das was das Schicksal für mich bereit hält schon seinen Zweck erfüllt.
Doch wenn wir nur auf die Herausforderungen reagieren, die uns auf unserem roten Faden begegnen, werden wir immer wieder in Situationen geraten, aus denen wir uns dann wieder befreien müssen – weil wir statt uns bewusst für eine Sache zu entscheiden lieber leichtsinnig in Kauf nehmen, dass das Gegenteil eintritt.
Es verlangt absolute Ehrlichkeit zu sich selbst, diese Schritte zu gehen. Denn selbstverständlich liegt darin auch die Schwierigkeit, der man sich stellen muss, wenn man sich entscheidet. Eine Sache ist selten vollkommen und das Gegenteil bietet oft auch seine Reize (oder Verpflichtungen) – doch sich nicht festzulegen bedeutet ein Leben zu führen, das niemals das Eigene sein kann.
Ein Thema mit dem ich bisher im Leben am meisten gehadert habe, war die Entscheidung für oder gegen Kinder. In Kauf zu nehmen, ungewollt in der falschen Beziehung ein Kind zu bekommen (wie meine Eltern mich damals bekommen hatten) war etwas, das ich seit ich alt genug für diesen Gedanken war niemals wollte.
Und als ich dann 18 wurde, spielte ich bereits mit dem Gedanken einer Vasektomie – doch so eine Entscheidung entgegen der Norm zu treffen wollte und konnte ich nicht. Schließlich weiß man ja auch nie so genau, ob man später nicht doch anders über eine Sache denkt und etwas anderes möchte. Und so kann ich sehr froh darüber sein, dass trotz des ein oder anderen Beinah-Unfalls für mich keine größere Verpflichtung daraus entstanden ist.
Zehn weitere Jahre und ein paar gescheiterte Beziehung mit Frauen, die ich schon mit Kinderwagen im Park spazieren gehen sah, später, hatte ich mich immer noch nicht entschieden. Und doch war die Entscheidung um ein Vielfaches komplizierter geworden.
Ein paar Jahre zuvor hatte ich tatsächlich eine Frau kennengelernt, mit der ich mir vorstellen konnte Kinder zu haben – oder sagen wir ein Kind, eine Tochter. Doch so süß der Gedanke auch war – eine Garantie für eine einzige Tochter bekommt man nicht, die Frau war längst Vergangenheit, und umso mehr ich darüber nachdachte, erkannte ich wie einseitig ich die Sache doch immer betrachtete. Dieser Gedanke einer kleinen „Happy Family“ als meine Oase im Diesseits, war verblendet von der idealisierten Idee eines perfekten Moments, den ich dann nie erleben würde.
Wenn Gefühle im Spiel sind, vergisst man oft die Kehrseite der Medaille. Und dennoch ist es richtig, dass man mit manchen Entscheidungen zu kämpfen hat – denn nur wenn man diesen Kampf führt, gewinnt man am Ende dadurch auch seine Identität.
Es ist ein Dilemma, doch letztendlich entscheide ich mich für das, was ich eigentlich schon vor mehr als 10 Jahren wusste – ich möchte keine Kinder in diese Welt setzen. Weil diese Welt in meinen Augen das Versprechen auf eine Zukunft, die ein Kind verdient, nicht halten kann, und um meinet Willen – weil nur so meine Reise auf Erden seine Zeit wert sein kann. Mit allen Konsequenzen.
Meine Tochter gibt es nicht und wird es niemals geben – und doch existiert sie für mich und ist immer bei mir. Anna. Anna. Anna. Irgendwo da oben im Himmel und hält den Laden am laufen, solange ich hier bin, um meinen Weg zu gehen.
Als der Teufel der ich bin, frage ich also „Welches Leben wünschst du dir wirklich?“
Doch sei gewarnt, hat man erstmal eine so fundamentale Entscheidung getroffen, wie die sein wahres „Ich“ zu verwirklichen, gibt es kein Zurück mehr.
